In den Jahren, in denen ich Deutsch gelernt habe, hat sich einiges ereignet. Es gab sowohl Erfolgsmomente als auch Niederlagen. Die größte und als fast unüberwindbar scheinende Hürde waren lange Zeit die verdammten Artikel: der unbestimmte und sein Bruder, der bestimmte Artikel. Für ein junges Mädchen, das mit der polnischen Sprache aufgewachsen ist, war es nicht einfach im Kopf zu behalten, dass “der polnische Messer – no?” im Deutschen Neutrum und “die polnische Löffel – ?y?ka” Maskulinum sind. “Wie soll das gehen?” – dachte ich beim Vokabelpauken.
Die Stunden vergingen, unzählige Übungen und Aufsätze wurden niedergeschrieben sowie viele Phonetikkassetten nachgesprochen, bis ich irgendwann begann, ein kleines Licht am Ende eines langen und dunklen Tunnels zu sehen. Aus dieser Zeit sind mir ein paar Wörter, die ich im Gedächtnis wie ein Schatz behüte, als Erinnerung an die alten Zeiten geblieben.
Fleischwolf vs. Maulwurf
Ich habe mich immer gewundert und tue das weiterhin, dass man den Fleischwolf “Fleischwolf” nennt, wo es doch logischer wäre, das Küchengerät als “Maulwurf” zu bezeichnen. Diese Maschine hat doch ein “Maul”, sprich Öffnung, aus dem Hackfleisch “rausgeworfen” wird. Diejenigen, die eine tierische Komponente bei dieser alternativen Bezeichnung vermissen, finden diese ebenso. Denn warum Fleischwolf, wenn es doch “Maulwurf” heißen könnte? Sie merken, ich versuche mir die deutsche Sprache zurechtzubiegen. Es gibt in meinem Wortschatz auch “Linkshändler”, “Kenntnisse erfrischen” oder “Mutter besichtigen” statt besuchen. Eine schöne Erfindung ist auch der “Hasen-, Nasen-, Ohren-Arzt”. Klingt doch besser als die langweilige Berufsbezeichnung “HNO-Arzt”, oder?
Gegenneblige Lichten
Unter Deutschlernenden ergibt sich immer wieder die Frage, wie heißt das eine oder andere Ding? Wenn man bereits in viele Geheimnisse der deutschen Sprache eingeweiht ist, neigt man dazu, besonders erfinderisch zu sein, was den Kommunikationsprozess mit Muttersprachlern höchst interessant gestaltet. Für beide Seiten wohl bemerkt. So erging es einer Freundin von mir. Basia ist Autorin der durchaus interessanten Wortbildung: gegenneblige Lichten. Sie fragen sich, was das sein mag? Denken Sie nach. Wir haben hier folgende Wörter: “gegen”, “Nebel” und “Licht”. Geht Ihnen jetzt ein Licht auf? Andere Phantasiewörter mit Realitätsbezug aus ihrem Repertoire aus der Zeit des Deutschlernens, die wir neulich bei einem guten Essen auf einem Bierdeckel notiert haben, um sie vor dem Vergessen zu bewahren, sind: “Caferei”, “scherzlich”, “Wände streicheln” oder “Radfahr”.
Muttersprache kämpft ums Überleben
In diesen komischen Fehlern, Versprechen oder Wortdrehern spiegelt sich die Muttersprache des Deutschlernenden wider. Aus diesem Grunde unterscheiden die einen keine langen von kurzen Vokalen. Die anderen verwechseln andauernd Artikel oder verwenden überhaupt keine. Die Folge ist: Nur mit viel Übung und Kontakt zu Muttersprachlern kann man sich das erarbeiten, was Kinder innerhalb weniger Jahren in Deutschland lernen. Nämlich: richtig Deutsch zu sprechen. Der Weg des Lernens ist lang und steinig. Am Ziel angekommen ist man stolz, hat ein um einiges erweitertes Denkvermögen und nicht zuletzt einen eigenen Wort-Schatz, der nur einem ganz persönlich gehört: “Spazierung”, “grüner Kosmetik” (steht für Kulturtasche) oder “in die Toilette gehen”.
Vom Lernenden zum Lehrer
Diesen Weg habe ich hinter mir. Ich habe sozusagen die Seiten gewechselt. Jetzt muss ich nicht mehr die Bank drücken. Dafür aber unterrichte ich und versuche, soweit es geht, mit meiner Begeisterung für die deutsche Sprache andere anzustecken. Manchmal sogar mit Erfolg!